GUTACHTEN über die Masterarbeit von Anastasiia Igorevna Lopareva „Linguokulturelle Besonderheiten zeitgenössischer deutscher und russischer Märchen“ Wissenschaftliche Betreuerin Dr. Phil. L. Y. Slinina Volksschaffen gehört zu den traditionellen liguokulturologischen Forschungsobjekten. In Sprichwörtern, Volksliedern und Volksmärchen sucht man sprachliche Überlieferungen, die uns helfen sollen, Besonderheiten von nationalen Kulturen zu entschlüsseln. Frau Lopareva geht in Ihrer Forschung ebenfalls von der These aus, dass Märchen ein traditionelles Weltbild und ethnokulturelle Stereotype einer Nation widerspiegeln, sie überprüft aber ihre Gültigkeit an einem neuen Material: Sie untersucht zeitgenössische deutsche und russische Märchen, die von modernen Autoren in den letzten zehn Jahren geschrieben wurden. Die Wahl des Forschungsobjektes wird dadurch begründet, dass moderne Kunstmärchen einerseits Volksschaffen als Basis haben, andererseits den Einfluss des modernen Lebens widerspiegeln. Die Idee ist neu, und die Ergebnisse dieser Forschung sollen zweifellos einen wichtigen Beitrag zu der aktuellen vergleichenden Linguokulturologie leisten. Die wissenschaftliche Neuheit der Arbeit besteht also in der Durchführung einer komplexen linguistischen Vergleichsanalyse von modernen deutschen und russischen Autorenmärchen. Die Masterarbeit besteht aus einer Einleitung, zwei Kapiteln (jedes Kapitel ist mit einem Fazit versehen), einer Zusammenfassung, einem Literaturverzeichnis, das 46 Titel umfasst, und einer Liste der Abkürzungen. In der Einleitung werden die Neuheit und Aktualität der Forschung begründet, wird das Forschungsobjekt (40 deutsche und 40 russische Zaubermärchen) vorgestellt, werden die Ziele und Aufgaben der Forschung genannt, Forschungsmethoden aufgezählt und eventuelle praktische Anwendung der Resultate und die Struktur der Arbeit verzeichnet. Das erste Kapitel ist den theoretischen Grundlagen der Forschung gewidmet. Im Kapitel werden die genrebezogenen Merkmale von Märchen beschrieben, indem die Forscherin die Bedeutung der Wörter Märchen und сказка analysiert und sich mit Definitionen von deutschen und russischen Märchenforschern wie M. Lüthi, H. Rölleke, K. Pöge-Adler, T. G. Leonova, V. Propp u.a. befasst. Danach werden die Erkenntnisse über Volksmärchen und Kunstmärchen verglichen und die Eigenschaften des Kunstmärchens bestimmt. Schließlich beleuchtet die Autorin unterschiedliche Märchenklassifikationen, betrachtet das Motiv als Erkenntnis des Strukturalismus und beschreibt linguokulturelle Ansätze der Märchenforschung. Das zweite Kapitel beginnt mit einer kurzen Charakteristik des zu analysierenden Materials und der Vorstellung der Prinzipien der Textanalyse, die Frau Lopareva in ihrer Forschung verwendet. Sie hebt fünf inhaltliche Aspekte hervor, die linguokulturelle Besonderheiten widerspiegeln sollen: handelnde Personen, Raum und Zeit, Entwicklung der Handlung, Motive und vermittelnde Werte. Bei jedem Aspekt werden lexikalische und textstrukturelle Mittel analysiert, wobei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von russischen und deutschen Kunstmärchen konsequent herausgefunden werden. In der Zusammenfassung werden die Ergebnisse der Forschungsarbeit dargestellt, die davon zeugen, dass die Ziele der Forschung völlig erreicht worden sind. Die Arbeit ist logisch strukturiert, alle notwendigen Anforderungen an die äußere Gestaltung werden erfüllt. Bei einer positiven Bewertung der Masterarbeit von Frau Lopareva, möchten wir einige kritischen Bemerkungen machen und Fragen stellen. 1) In der Arbeit werden nicht immer deutlich solche Begriffe wie Held, Figur, Motiv, Handlung voneinander unterschieden. Z. B. auf Seite 61 angeführte Punkt 9: Moderne Prinzessinnen und Prinzen scheint sowohl in der Formulierung als auch in der Zuordnung zu Motiven fragwürdig zu sein. Wir möchten die Autorin die obengenannten Begriffe klären lassen. 2) Bei der Analyse der umgangssprachlichen Ausdrücke auf Seite 39 berichtet die Autorin, dass „wertende expressive Charakteristiken in den russischen Märchen nicht vorkommen“, aber die in der Arbeit angeführten Beispiele (z.B. «Эй, олух...» auf Seite 38) bezeugen das Gegenteil. 3) Auf Seite 69 schreibt die Autorin: „Die russischen Zaubermärchen basieren meistens auf der Opposition Dummheit und Klugheit. Das zeigt unter anderem den Zusammenhang mit den Volksmärchen über den dummen Ivan. Die List der Hauptfiguren hilft ihnen den dummen Gegenspieler zu überwinden.“ Aus dieser Interpretation folgt, dass der dumme Ivan (Иванушка-дурачок) in den russischen Märchen als Antagonist (Gegenspieler) zu einem klugen/listigen Protagonisten (Helden) auftritt und von dem letzten besiegt wird, was aber der Tradition von russischen Märchen nicht entspricht. Die angeführten Bemerkungen haben aber einen Diskussionscharakter und sollen die hohe Bewertung der Masterarbeit von Anastasia IgorevnaLopareva nicht beeinflussen. Es geht um eine hochqualifizierte, selbständige und inhaltlich abgeschlossene Untersuchung. Die Masterarbeit entspricht den Richtlinien zur Erstellung einer schriftlichen Masterarbeit an der Sankt Petersburger Universität und soll hoch bewertet werden. Dr. Phil. J. G. Timralijewa, Lehrstuhl für Deutsch und Skandinavische Sprachen und Translation, Staatliche Wirtschaftliche Universität Sankt Petersburg